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Mian Mian
ist in folgende Strömungen einzuordnen, nach Priorität sortiert:
1. Skandalliteratur, sie schrieb als erste in China über ihr Partyleben, Alkohol- und Drogenkonsum.
2. Frauenliteratur, ihre Literatur ist beinahe durchgehend autobiographisch. Ihre Frauenfiguren können sich aus der Abhängigkeit ihrer Partner nicht lösen.
3. Literatur der Mega-Cities,
4. Kultliteratur, Mian Mian ist mehr als nur eine Autorin, sie hat eine Generation Schanghaier Mädchen geprägt.
5. Jugendliteratur, da sie ihre eigenes Leben als Jugendliche zum Thema machte und vor allem Jugendliche prägte.
Mian Mian ist eine Autorin des Zeitgeistes.

Mian Mian als Lifestyle / Kult
Mian Mian ist ein Gesamtkunstwerk: Sie bloggt, tritt als DJ auf, plant eine Verfilmung Ihres Romans Pandasex.

Lebensdaten
Mian Mian 棉棉 (richtiger Name: Wang Shen), geb. 28.8.1970, also 38 Jahre, lebt in Schanghai. Zeitgeist-Autorin.

Mian Mians Werke
Lalala, Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2000; HK 1997, D 2000, C 2009,
Candy 糖, 2000.
Deine Nacht, mein Tag, Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2004; D 2004, C 2009,
Pandasex C 2009, D 2009.

Rezeption
Zensur. Vier Romane konnten erst im Februar 2009 erscheinen (Auflage: 200.000), waren sofort ausverkauft.
Ihre Werke wurden 1996 von Wolfgang Kubin zusammen mit Wei Huis als "Müll" bezeichnet.

Weiterführende Literatur
Jie Lu: “Cultural Invention and Cultural Intervention: Reading Chinese Urban Fiction of the Nineties”, in: Modern Chinese Literature and Culture (2001.1), S. 107-139.
Vergleich zwischen Zhang Jie 张洁 (geb. 1937) und Mian Mian/Wei Hui: James Farrer: Opening up. Youth Sex Culture and Market Reform in Shanghai (Chicago: University of Chicago Press, 2002).
Rezension in Le Monde
Mian Mian und Kenny 2009 in Schanghai. (c) Foto von Martin Woesler.

Mian Mian und Kenny 2009 in der Szene-Kneipe Ying Yang's in Schanghai, Personen und Orte spielen auch eine Rolle im Roman Pandasex. (c) Foto: Martin Woesler.

Beispiel-Artikel (unveröffentlicht)
Mian Mian ca. 1997

Partygirl Mian Mian ca. 1997
Vom „enfant terrible“ zur „grande dame“ der chinesischen Literatur
Mian Mian ist mehr als eine Avantgarde-Schriftstellerin, sie ist in China zum Klassiker, zum Lifestyle, zum Kult geworden.
Die Bars in Panda Sex gibt es wirklich, die Gespräche hat die nimmermüde Partygängerin mit einem Minirekorder vor wenigen Jahren aufgezeichnet. Sie niederzuschreiben und einen Roman daraus zu komponieren, hat sie mehr als fünf Jahre in den Bann gezogen, ja „süchtig“ gemacht, wie sie sagt. Das Buch sei es gewesen, dass sie nicht losgelassen habe. In dieser Zeit konnte sie nichts anderes schreiben, sie sei „abhängig vom Schreiben“ gewesen „wie ein Drogensüchtiger vom Stoff“. Tatsächlich durchlebt sie mit diesem Roman noch einmal ihre wilde Jugend.
Auch die Figuren gibt es: Die männlichen tragen Züge von Mian Mians Partner, sie selbst schlüpft in verschiedene weibliche Figuren. Und am Ende des Romans lüftet sie ein weiteres Geheimnis um Déjà vus und Rollentausch, um den Roman an sich.
Erst durch die Aufarbeitung im Roman konnte Mian Mian ihr wildes Leben hinter sich lassen. Die Autorin hat seit zwei Jahren dem Nikotin, dem Alkohol und den weichen und harten Drogen ihrer Jugend abgeschworen, wurde zur Vegetarierin und Buddhistin, „clean“ ist sie jedoch noch nicht, ihre neue Droge ist das Schreiben.
[... Fortsetzung per email anforderbar. Interview und Bildmaterial wurden von Martin Woesler im Mai 2009 angefertigt und liegen exklusiv vor.]



Die Seele Schanghais - Eine Liebeserklärung der Autorin Mian Mian an ihre Stadt
Verführerisch schaut sie über ihre Sonnenbrille, während sie an ihrem Cocktail nippt: "Wenn Du meine Hände schön findest, dann warte erst einmal ab, bis Du noch mehr von mir siehst!" - Mian Mian ist ein Unikat, sie ist eine Institution wie das Szene-Restaurant "Jean George", in dem wir uns hoch über dem Bund in Schanghai treffen. Dielenböden, auf denen Kellner im Frack beflissen hin- und hereilen, getäfelte hohe Wände, Samtpolster auf den Sesseln, das Licht gedämpft wie die Abendsonne, die über den ausladenden Balkon hereinscheint - man fühlt sich ins Europa der Jahrhundertwende um 1900 versetzt. Das Restaurant wirkt wie ausgestorben, seitdem die Finanzkrise auch Schanghai erreicht hat. Schon im Taxi hierher waren die Straßen der sonst so pulsierenden Hafenmetropole menschenleer "Ich fühle mich fremd hier" - sagt die Autorin, die hier aufgewachsen ist, jedes Gässchen kennt und mit ihren Büchern wie kein anderer Schanghai ein Denkmal gesetzt hat. „Der Atem der Finanzkrise drückt die Menschen aus dem Nachtleben in die Schlafzimmer.“ Und hier spielt Mian Mians Roman Pandasex, eine Hommage an eine Stadt, die sich nachts bunt und verführerisch, morgens grau und verkatert gibt, nur um tagsüber ein neues Gewand anzuprobieren, dass sie dann abends in der Nanking-Straße, auf dem Laufsteg der Eitelkeiten präsentiert. "Schanghai ist wie eine Hure", sagt Mian Mian mit rauher Stimme, "Ich komme aus ihr, liebe sie und lebe sie in vollen Zügen, aber ich will weg, sobald ich kann." Schanghai ist voller Widersprüche und doch einzigartig, genau wie die Autorin, die als erste Chinesin über ihr Partyleben mit Drogen, Alkohol und Sex schrieb und die Mädchen des Schanghaier Nachtlebens prägte wie niemand sonst. Sie hat Schanhai eine Seele gegeben.
[... Fortsetzung per email anforderbar. Interview und Bildmaterial wurden von Martin Woesler im Mai 2009 angefertigt und liegen exklusiv vor.]

Verlagsankündigung zu Pandasex
Durch die Nacht von Shanghai – mit Mian Mian, dem »Bad Girl« der chinesischen Literatur (BBC)
In Shanghai ist der Panda-Virus ausgebrochen: Sexmüde wie Panda-Bären sind die Figuren im neuen autobiographischen Roman von Mian Mian. Einst das »Bad Girl« der chinesischen Literatur, deren Werke in ihrer Heimat zensiert wurden, beweist sich die international gefeierte Autorin mit ihrem neuen Roman als  Avantgarde-Klassikerin.
Mian Mian war eine der ersten Schriftstellerinnen, die über eine unbekannte Seite Chinas schrieb: über eine Jugend, die im Nachtleben ihr Glück sucht. Als »Königin der Subkultur« und »Chinas begabteste Jungautorin« feierte sie »Der Spiegel«. Die Party ist zwar nicht vorbei in Mian Mians neuem Buch. Aber doch hat sich etwas verändert, es ist, als sei das einst schillernde, glitzernde Shanghai in Schwarzweißlicht getaucht. »Panda Sex« erzählt von einer Gruppe junger Leute um das Schwesternpaar Mei Mei und Jie Jie. Zwei Tage und Nächte lang durchstreifen sie die Shanghaier Party- und Clubszene und philosophieren dabei über Liebe, Beziehungen, Geschlechterrollen und Sex. Gerade erst haben die Freunde ihren langjährigen Gefährten Little Beetle zu Grabe getragen. Dort, bei der Beerdigung, sollen sie sich infiziert haben mit dem Panda-Virus. Pandas haben nur zweimal im Jahr Sex. Den Figuren im Roman geht es ähnlich, sie suchen Nähe, sind süchtig nach echter Begegnung und können Sex doch nur mit Fremden haben. Kühn konsturiert, protokolliert Panda Sex die Gespräche der Freunde auf den Straßen Shanghais und damit das letzte Kapitel ihres wilden Lebens als Jugendliche.
Mit flirrender Leichtigkeit und Melancholie entwirft Mian Mian das Bild einer Generation, die sich nach Liebe sehnt, aber das Risiko einer Beziehung fürchtet.

Mian Mian, geboren 1970, bürgerlich Sheng Wang, lebt und arbeitet in Shanghai. Im Alter von 16 Jahren begann sie zu schreiben. 1997 erschien ihr erstes Buch »La la la«, das ebenso wie ihr Roman »Candy« von den chinesischen Behörden zensiert wurde. Weitere Erzählungsbände folgten, sie kursierten ebenfalls in Raubkopien. Ihre Bücher wurden in sieben Sprachen übersetzt und international gelobt. 2002 wurde die Zensur gegen Mian Mians Bücher aufgehoben.
Nicht nur als Schriftstellerin, auch als DJ und bekannte Partyveranstalterin ist Mian Mian eine Schlüsselfigur der Nacht- und Clubszene Shanghais. Eine ganze Generation Jugendlicher in Shanghai hat Mian Mians Lebensstil längst adaptiert.

Martin Woesler, geboren 1969, hat mit der Autorin die Orte des Romans besucht. Zuvor hat er den 250 Jahre alten, bekanntesten chinesischen Roman „Der Traum der Roten Kammer“ übersetzt. Mian Mians Buch hält er für das umstrittenste der chinesischen Gegenwartsliteratur und gerade deshalb für übersetzens- und lesenswert.

Mian Mian, Pandasex. Übersetzt von Martin Woesler.

Mian Mian, Pandasex, Kiepenheuer & Witsch Verlag 2009